Liebe Familie, liebe Freunde,
Wir werden dieses Jahr 2020 wohl nie vergessen, es fing
so hoffnungsfroh an und dann traf uns die Virusnachricht wie eine Bombe. Die
Welt wurde zu einer mathematischen Formel mit dem gemeinsamen Nenner Covid-19
Virus, und dieser wurde zum gemeinsamen
Feind No.1 weltweit. Ein gemeinsamer Feind vereint. Er vereint im guten und im
bösen Sinne. Seltsam, nicht wahr?
Gilt diese Feststellung nicht auch für die Politik? Überlegt mal, will ein Politiker ein Ziel
durchsetzen, schafft er als erstes einen gemeinsamen Feind, um Stimmen zu
sammeln - und schon hat er es erreicht;
man hat das oft genug beobachten können. Wozu brauchen die Menschen einen
gemeinsamen Feind? Weil sie damit
jemanden haben, auf den sie die Schuld an ihrer eigenen Misere, an ihrem
Unvermögen, schieben können.
Hier auf der Insel kam der totale Lockdown erst einmal
aufgrund von infizierten deutschen Touristen, von denen einer während der
Quarantäne im Hotel verstarb. Es folgte eine Zeit der Unsicherheit und Angst;
die Straßen waren leergefegt, kein Bus, kein Taxi, keine Fußgänger, nur die
Hunde bellten, keine Flugzeuge über der Stadt, man hörte plötzlich die Hähne
aus dem nächsten Dorf krähen. Nach Wochen wurde mit jedem Tag die Luft reiner,
der Himmel klarer, ich konnte von der Wohnung aus die gesamte Bergkette sehen
mit allen Details. Ich fing an, jeden Tag den Sonnen-untergang mit der Kamera mit
Uhrzeit festzuhalten und meinen Freunden im Facebook zu zeigen, so entstand
eine beachtliche Reihe von erstaunlichen Fotos. Aber auch Sonnenaufgänge und
Mondphasen. Es galt, nicht nur mich
selbst zu beschäftigen, sondern den Freunden etwas zum Staunen zu geben; und diese
warteten ab dann jeden Abend auf die neuesten Aufnahmen.
Ich begann, Brot zu backen, die Zutaten für Roggenbrot
hatte ich vorrätig, und ich sandte das Rezept den jammernden und verzweifelten
Freunden zu, auch Rezepte für viele nette Gerichte. Die älteren Freunde
berichteten ihrerseits, hörbar lächelnd und sich wundernd, dass ihre Töchter - auch
Söhne - sich plötzlich an die Nähmaschine setzen und sich von Mama zeigen ließen,
wie man das denn so macht, wie man strickt, stickt und häkelt...ja auch, wie
man Brot backt.
Die Zyprioten, d.h. alle Mittelmeerländer leben
aushäusig, sie lieben Straßencafés, gehen gerne zum Essen, sie lieben den
Kontakt, die Kommunikation. Sie gehen
auch gerne wandern, die nahen Hügel bieten sich an. So war natürlich der
Lockdown mit der erzwungenen Isolation eine Strafe für sie. Es hiess nun, aus
sich selbst schöpfen, das gesamte gesellschaftliche Leben lag brach.
Eine ungewöhnliche frühe Hitzewelle machte die Lage noch
schwieriger. Es waren lediglich die Supermärkte offen, manche errichteten
Lieferdienst, was von vielen in Anspruch genommen wurde. Meine Künstlerfreunde boten
ihre Hilfe an, für mich Einkäufe zu machen, die Bewohner im Gebäude klopften
bei mir an und brachten Gebackenes. Öffentliche Kommunikation war über Radio,
Fernsehen oder Internet, Facebook, und so verabredete man in den ersten Wochen
zu einer bestimmten Uhrzeit auf Balkonen und an offenen Fenstern straßenweise
Konzerte zu machen, zu singen und Lichter zu zeigen, so nach dem Beispiel in
Italien, wo man sich auf diese Weise Mut machte, auch um den Ärzten und dem
medizinischen Personal zu danken.
Ich saß auf einem meiner Balkons und schaute hinab,
schaute die Bergkette entlang. Mein Balkongarten gab mir das Gefühl nicht
alleine zu sein, da war etwas Lebendiges, um das ich mich kümmern musste.
Ich arbeitete....suchte alte Skizzen heraus und begann,
sie in Geschichten umzuwandeln, ihnen ein neues Gesicht zu geben, es war spannend.
Die Pandemie beeinflusste mich in Farben und Ausdruck, ich arbeitete
konzeptionell. Da waren die Geschehnisse im gesellschaftlichen Leben, ich
verarbeitete das; da waren die Kriegsschauplätze ringsherum im Nahen Osten, ich
verarbeitete das. Da war die große Explosion in Beirut, ich verarbeitete das.
Aber auch, was ich so vom Balkon aus sah, die Menschen auf der Straße, am
Strand, Fischer und alte Menschen am Meer, umflogen von Tauben.
In der Kunst- und kulturellen Szene tat sich nicht viel,
es war zum Verzweifeln für viele, die davon lebten, für unabhängige Künstler,
für Leute vom Theater, von Orchester und Musikgruppen, nicht nur finanziell,
auch vom schöpferischen Standpunkt aus gesehen. Aus dieser Notsituation heraus
entwickelten sich weltweite Onlineveranstaltungen jeder Art und die Technologie
und Abhängigkeit von den Medien machten einen großen Sprung. Teleunterricht an
Universitäten und Schulen, Online-Konferenzen und Tagungen, man staunte nur so,
was alles möglich war, der Bedarf an Kommunikation war groß und wo eine
Mangelerscheinung ist, läuft die Entwicklung auf Hochtouren. Opernhäuser
verkauften online Karten für ihre Aufführungen, Kunsthäuser und Museen öffneten
virtuell und kostenlos ihre Tore; Tänzer gaben online Unterricht und Joga, Qigong,
Gymnastik hatten Hochkonjunktur; Verwandtenbesuche lief über Whatsapp. Ich
staunte nur so und schüttelte den Kopf in Erinnerung an das erste Mobiltelefon,
dass wir auf dem Schiff eingerichtet hatten, es war ein Koffer, das nur 20
Seemeilen Reichweite hatte – wegen der Erdkrümmung....
Mit diesen Worten, schließe ich dieses Jahr ab, was jetzt
noch passieren mag, ignoriere ich. Ich umarme Euch und werde in Gedanken bei
Euch sein.
Etwas zum Nachdenken gebe ich noch mit:
Das Paradoxe unserer Zeit.
Große Häuser, kleine Familien.
Immer mehr Bildung, aber weniger gesunder
Menschenverstand.
Fortschrittliche Medizin, aber schlechter
Gesundheitszustand.
Auf dem Mond gewesen, aber seinen Nachbarn nicht kennen.
Hohes Einkommen, wenig Seelenfrieden. Höchster IQ, aber
verdrängte Emotionen. Voller
Kenntnisse, ohne Weisheit. Viele Menschen, aber wenig Menschlichkeit.